Expertenkolloquium

Expertentagung „Museum im Sudetendeutschen Haus“
am 10.11.2006 in München
Begrüßung durch Dr. Hartmut Singbartl
Vorsitzender des Vorstands
der Sudetendeutschen Stiftung I.
Es war nicht viel, was sie mitnehmen konnten vor 60 Jahren, - 30 oder 50 kg, – oft kaum mehr als das nackte Leben. Allenfalls einige persönliche Erinnerungsstücke waren vielleicht dabei.
Das Dach über dem Kopf, die Suche nach Verwandten und Freunden, die Existenzgrundlage – das waren die vorrangigen Sorgen der Flüchtlinge und Vertriebenen 1945/1946 und danach.
Und doch: gerade da gab es schon viele, die aus ihrem Selbstwertgefühl heraus, aus dem Bedürfnis aufzuzeigen, wer und woher man war, mit der Sammlung begannen.
Die Solidarität der Einheimischen, die daraus erwachsenen Patenschaften auf kommunaler und auf Landesebene förderten diese zumeist ganz persönlichen Initiativen und führten bald zu einer reichen Vielfalt von weit über hundert Heimatmuseen und – archiven allein im sudetendeutschen Bereich.
Die Notwendigkeit der fachlichen Betreuung des Sammelguts, aber immer schon auch die Sorge um den Bestand der in aller Regel ehrenamtlich geführten Einrichtungen machten eine zentrale Erfassung, Koordinierung und Beratung unverzichtbar, die schon Mitte der 1960er Jahre begann und für den sudetendeutschen Herkunftsbereich durch die beim Sudetendeutschen Archiv 1974 entstandene „ Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Heimatsammlungen“ eine vorbildliche Lösung fand.
Daneben entwickelten sich mancherorts aus einer besonderen Situation heraus, etwa aus dem 1973 in Marktredwitz eingeweihten Egerland-Kulturhaus und dem 1976 eröffneten Gablonzer Haus in Neu-Gablonz zusammen mit dem Böhmerwald-Museum in Passau größere regionale Sammlungen, die heute nach Eröffnung des erweiterten Egerland-Museums im Jahr 2000 und des Isergebirgs-Museums 2003 Vorbildcharakter für moderne landeskundliche Museen haben.
Mit entscheidend trug dazu bei eine unter Beteiligung der Länder erarbeitete, 1982 vom Bundesminister des Inneren vorgelegte Grundsatzkonzeption, die im Rahmen des kulturellen Förderprogramms der Bundesregierung nach § 96 BVFG der Einrichtung von Landesmuseen der großen ostdeutschen Regionen besondere Bedeutung beimaß und sich hierbei vom Vorbild schon vorhandener Landesmuseen leiten ließ. Eine Reihe bedeutender Museen ist so entstanden, zuletzt das am 13. Mai 2006 eröffnete Schlesische Museum zu Görlitz.
Eine vergleichbare zentrale Einrichtung für den sudetendeutschen Bereich gibt es bekanntlich bis heute nicht.
II. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung entstand das 1974 von der Bayerischen Staatsregierung beschlossene und am 14.12. 1985 eröffnete, von der Sudetendeutschen Stiftung getragene Sudetendeutsche Haus in München„…das entsprechend seiner Bestimmung dazu beiträgt, die Geschichte und Kultur des Deutschtums in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien für künftige Generationen zu erhalten und zugleich Brücken der Verständigung zu bauen“. So Ministerpräsident Franz Josef Strauß bei seiner Eröffnungsrede.
Als räumlicher und geistig-kultureller Mittelpunkt der Sudetendeutschen sollte es schon nach seiner grundliegenden Konzeption von 1974 neben einer Zentralbibliothek und einem Zentralarchiv auch ein, wie es in der damaligen Vorlage bescheiden hieß, „kleines, repräsentatives“ Museum umfassen.
Zuerst der Raumbedarf der vorgesehenen Nutzer des Hauses, dann neue Überlegungen beim Erwerb zweier Nachbarhäuser durch die Sudetendeutsche Stiftung, offene Zuständigkeitsfragen, jeweils andere Prioritätensetzungen und inhaltliche Vorstellungen haben die Museumsplanung immer wieder erschwert und verzögert.
Seit Frühjahr 2005 hat die Sudetendeutsche Stiftung in erreichbarer Nähe ein angemessenes Museumsdepot besorgt, in dem das vorhandene und laufend hinzukommende Museumsgut sachgerecht untergebracht und bearbeitet werden kann.
Gleichzeitig wurde Klarheit darüber geschaffen, dass das Museumsvorhaben sinnvollerweise als dessen museale und dokumentarische Ergänzung nur im Sudetendeutschen Haus selbst verwirklicht werden kann, - auch um den besonderen Charakter dieses Hauses als kulturelles Zentrum und Ort der Begegnung und Information für die allgemeine Öffentlichkeit erkennbarer zu machen.
Gerade hier erwartet der Besucher, ein umfassendes Bild von den Sudetendeutschen,
ihren Herkunftsgebieten, ihrer Geschichte und Kultur, ihrem Leben vor und nach der Vertreibung in lebendiger und anschaulicher Weise zu bekommen.
Die 20-Jahr-Feier des Hauses anfangs 2006 wurde genutzt, nachdrücklich auf seinen noch fehlenden musealen Teil aufmerksam zu machen.
Mit seiner im Juni diesen Jahres öffentlich bekundetenen Erklärung, dass ein solches Museum „ein bedeutendes historisches und geistiges Zukunftsprojekt“ sei, und durch seinen Aufruf, mit einer Konzeption dazu als ersten Schritt „jetzt“ zu beginnen, hat der Bayerische Ministerpräsident Dr. Stoiber einen entscheidenden Anstoß dazu gegeben, das große Vorhaben nunmehr entschieden auf den Weg zu bringen.
Der Zusatz des Ministerpräsidenten, auf die bayerisch-sudetendeutsche Solidarität könne man sich verlassen, hat uns beflügelt, - auch im Hinblick auf ein Beispiel für den Bund. III. Deshalb haben wir Sie zu dieser wissenschaftlichen Expertentagung eingeladen, weil wir uns aus Ihrer Fachkompetenz und Ihrer Erfahrung wichtige Hinweise und eine wesentliche Grundlage für die Erstellung eines überzeugenden, wissenschaftlich abgesicherten inhaltlichen Rahmenkonzepts erwarten.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Kommen. Durch Ihre Teilnahme an unserem Kolloqium
bekunden Sie, dass Sie interessiert sind an unserem Anliegen und seinem Gelingen.
Das gibt uns Mut und Zuversicht.
Besonders danke ich denjenigen, die uns mit grundsätzlichen Gedanken zur Einführung und mit Vorträgen aus ihrer spezifischen Kenntnis und aktuellen Erfahrung Wegweisung und Impulse geben werden.
Ich freue mich sehr, dass wir mit Herrn Professor Christoph Stölzl einen der erfahrensten und kompetentesten Fachwissenschaftler und Praktiker, mit Herrn Dr. Markus Bauer den Direktor des erst vor kurzem eröffneten Schlesischen Museums zu Görlitz, und die Leiter des Egerland-Museums Marktredwitz und des Isergebirgs-Museums in Neu-Gablonz, Herrn Volker Dittmar und Frau Eva Haupt, dafür gewinnen konnten.
Wir erwarten von Herrn Ministerialrat Wolfgang Käppler vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien Aufschluss über die Vorstellungen des Bundes und sind außerordentlich erfreut und interessiert, von Herrn Houfek, bzw. Frau Dr. Kaiserova sozusagen aus erster Hand über die Ziele und Konzepte des Collegium Bohemicum in Usti nad Labem/Aussig und vielleicht auch schon über mögliche Verbindungen und Wege einer Zusammenarbeit erfahren zu können.
Schließlich wollen wir von Herrn Klaus Mohr vom Sudetendeutschen Archiv über den Stand der Sammlungen und von den Planungen in den vergangenen Jahren zu unserem Vorhaben hören. Die von ihm in verdienstvoller Weise daraus zusammengestellten „Vorüberlegungen“ sind selbstverständlich nicht als Vorgaben, vielmehr als Stoffsammlung und Anregung für unsere Diskussion zu verstehen.
Besonders glücklich bin ich, dass sich Frau Professor Marita Krauss bereit erklärt hat, die Leitung und Moderation unseres Kolloqiums zu übernehmen. Sie hat sich schon früh als Mitarbeiterin von Professor Friedrich Prinz in der Eingliederungsforschung und –dokumentation einen Namen gemacht und bringt auch ihre Erfahrungen als Ausstellungsmacherin wie als Beiratsmitglied im entstehenden Münchener NS-Dokumentations-zentrum in unser Projekt mit ein. IV. Wir wissen, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. So wie mit dem Wechsel der Generationen die Erinnerung verblasst, gehen unvermeidbar auch wesentliche Kenntnisse und wichtige Zeugnisse der Kultur und Geschichte, auf die es ankommt, verloren.
Auch viele Menschen, die gerne ihren Beitrag zur bleibenden Erinnerung an ihre Herkunft und ihr Schicksal durch ein solches Museum leisten wollen, warten seit langem darauf.
Andererseits haben wir heute durch die spürbare Zunahme des Interesses auch an den dramatischen Geschehnissen nach 1945 und durch die Wiederbesinnung auf geschichtliche Gemeinsamkeiten nach den großen politischen Veränderungen in Europa in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, auch mehr Verständnis und Zustimmung hierzulande zu finden und über die Grenzen hinweg wieder anknüpfen zu können an unterbrochene historische und kulturelle Verbindungslinien und Kontakte in die Herkunftsregionen.
Dies können wir für unser Vorhaben ebenso nutzen wie das Ergebnis diverser Anhörungen und die Erfahrungen der inzwischen entstandenen vergleichbaren Einrichtungen diesseits und jenseits der Grenze.
Selbstverständlich muss schon angesichts des Rückgangs der sog. Erlebnisgeneration das Museum auch auf eine breite interessierte Öffentlichkeit hin ausgerichtet sein.
Deshalb kommt es neben der besonderen Qualität der Sammlung und ihrer Präsentation besonders darauf an, auch Professionalität bei der wissenschaftlichen und pädagogischen Aufbereitung für das Publikum und eine Vermittlung mit zeitgemäßen Mittel und Medien zu gewährleisten.
Dass dabei die Aufenthaltsqualität der Räumlichkeiten und vielleicht auch das äußere Erscheinungsbild dieses Hauses ebenfalls eine besondere Rolle spielen, ist selbstverständlich.
- Die enge räumliche und thematische Verbindung mit den verschiedenen Einrichtungen im Sudetendeutschen Haus, die ja gerade das besondere Potential des Hauses ausmacht, insbesondere die Verbindung mit dem Sudetendeutschen Archiv und der „Wissenschaftlichen Bibliothek“,
- die unmittelbare Nähe zum Münchner Kulturzentrum „Am Gasteig“ und zum staatlichen „Haus des Deutschen Ostens“,
- eine enge Zusammenarbeit oder Vernetzung mit den bestehenden Regionalmuseen und einschlägigen Sammlungen im Lande,
- und die erhofften Möglichkeiten guter Kontakte und Zusammenarbeit mit Partnern auch auf tschechischer Seite,
ich meine, das sind gute Voraussetzungen für unser Vorhaben.
Wir wollen sie nutzen.
Ich danke Ihnen nochmals herzlich, dass Sie uns dabei durch Ihre Gedanken und Vorschläge zu inhaltlichen und organisatorischen Fragen helfen.


Sudetendeutsche Stiftung

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